Seit dem 25. April leuchtet an der Magistrale überm Rennbahnkreuz und an der B80/Höhe Weststraße Ankommenden wieder Halle-Neustadts Stadtwappen entgegen: in knalligem Rot und Weiß, Gelb und Grün. Genau so, wie Heinz Möhrdel es vor 40 Jahren entworfen hat. Als wir den heute 79-Jährigen um ein Interview fürs „Stadtgespräch“ bitten, nimmt er spontan die weite Fahrt aus Franken auf sich, wo er seit 1992 lebt. Im Gepäck hat er ein wertvolles Mitbringsel: den Erstentwurf des Halle-Neustädter Stadtsymbols.
„Copy and Paste“ ohne PC
Auf dem Papierbogen sind die einzelnen Elemente – Schild, Tauben, Schlüssel und Knospenblätter – sorgfältig „mit Gummilösung geklebt“, wie der Autor verrät. „Das wurde in der Vor-Computer-Ära so gemacht, um jedes Element rückstandsfrei abziehen und ändern zu können.“ Das Halle-Neustädter Wappen war das
erste und einzige, das Möhrdel in seiner nun über 60-jährigen beruflichen Laufbahn entwarf. „Der Auftrag kam Anfang 1984 vom Leiter des Kulturamtes, Heinz Abraham“, erinnert er sich. Bis dahin hatte der Diplom-Gebrauchsgrafiker unter anderem Verpackungen für Hallorenkugeln und Rügenfisch, Etiketten für hallesches Meisterbräu und Wilthener Weinbrand, Titelgrafiken für DDR-Fernsehsendungen sowie zahlreiche Plakate entworfen.
Wenige, aber klare Vorgaben
Sich nun in die Wappenkunde einzuarbeiten, war dem gebürtigen Bad Dürrenberger, wie alles Neue, ein Vergnügen. „Es gab von Seiten des Stadtrates einige wenige, aber klare Vorgaben“, lobt Möhrdel. „Chemiearbeiterstadt“ und „Frieden“ gehörten nach seiner Erinnerung ebenso dazu „wie die zehntausenden
neuentstandenen Wohnungen und der inoffizielle Titel ,Grünste Stadt der DDR‘“. Der Werbeprofi, von 1971 bis 1992 selbst in Halle-Neustadt zu Hause, übersetzte die Stichworte, angereichert mit eigenen Ideen, in eine wappentaugliche Bildsprache. So steht das Rot des Schildes für die Arbeiterschaft, der goldene Schlüssel für die Wohnungsübergaben. Der Schlüsselgriff in Form eines sechseckigen Benzolrings stellt den Bezug zur Chemie her, der
Stern im Schlüsselbart die Verbindung zur Stadt Halle. Als Friedenssymbol setzte Möhrdel drei aufsteigende weiße Tauben in den Mittelpunkt, die keineswegs zufällig an den Taubenbrunnen erinnern. „Als erstes in Halle-Neustadt aufgestelltes Kunstwerk war er das perfekte Sinnbild“, findet er bis heute. Die sich darunter öffnenden Knospenblätter verkörpern das Stadtgrün, in deren goldenen Oberseiten sich die sonnige Zukunft der Stadt spiegelt. „Es gab nur diesen einen Entwurf“, freut sich der Freiberufler. Vor dem 20. Jahrestag der Grundsteinlegung verlieh das Kommunalparlament der Stadt ihr eigenes Wappen.
Anfertigung im Paulusviertel
Als die Wappen im November 2023 für mehrere Monate verschwanden, bemerkte das kaum jemand. Hatten Sonne, Wind und Wetter die ursprüngliche Buntheit der Schilde mit den Jahren doch in ein Grau-in-Grau verwandelt, das leicht zu übersehen war. „Die Substanz der Formteile aus Glasfaserkunststoff war jedoch in einem erstaunlich guten Zustand“, bescheinigt Restaurator Peter Schöne, der von der Stadtverwaltung rechtzeitig zum 60-jährigen Neustadt-Jubiläum mit der Restaurierung der Wappen beauftragt worden war. Im Austausch mit Heinz Möhrdel und behördlichen Denkmalpflegern gaben sie den Wappen ihre farbenfrohen Oberflächen zurück. Die Betonstelen wurden saniert und fehlende Buchstaben der Halle-Neustadt-Schriftzüge ersetzt. Der Aufwand von über 500 Arbeitsstunden hat sich nach Überzeugung von Auftraggeber Matthias Kunkel, Koordinator Bildende Kunst der Stadt, mehr als gelohnt. Und auch Heinz Möhrdel freut sich, dass sein Wappen wieder strahlt.