Entdeckungen

Neue Hoffnung für die alte Mühle

Jahrzehntelang gehörte die Holländer-Windmühle am Rande Nietlebens bereits zu den wichtigsten Landmarken bis hinüber nach Zscherben und Passendorf. Noch Ende der 1930er Jahre verwandelte sie mit der Kraft des Windes Korn zu Schrot, diente anschließend als Getreidelager. Dann wurde sie als „Eselsmühle“ berühmt – und für Diana Mittelbach zum „schönsten Kinderspielplatz der Welt“, während ihre Eltern das legendäre Restaurant ab 1969 zum Laufen brachten. Dass dem heutigen Denkmal nun endlich wieder neues Leben eingehaucht werden soll, verfolgt nicht nur die Nietlebenerin mit großer Spannung.

Diese Ansichtskarte wurde vieltausendfach in alle Welt verschickt. Sie zeigt ein kleines Mädchen, auf einem Esel reitend, vor Halle-Neustadts beliebtester Gaststätte. „Das dort im Sattel bin ich“, schmunzelt Diana Mittelbach. Als das Foto etwa 1971 geschossen wurde, stand die Eselsmühle noch inmitten von Feldern und Obstgärten, waren die Häuser der Neustadt noch einen halben Kilometer entfernt. 

Doch deren Bewohnern „war zu ihrer Mühle kein Weg zu weit“, erinnert sich die heutige Altenpflegerin. An schönen Wochenenden kamen bis zu 5.000 Menschen, um es sich bei einem Müllerfrühstück (Schwarzbrot, Schinken, Doppelkorn), bei Kaffee und Kuchen oder leckeren Cocktails gut gehen zu lassen. Bedenkt man, dass in der Mühle nur rund 110 Gäste gleichzeitig Platz fanden und weitere 140 auf der Freiterrasse, „lässt sich leicht ausrechnen: Viel mehr ging nicht“, so Diana Mittelbach.

Ihre Eltern Hannelore und Gerhard Demuth hatten sich, damals noch keine 30 Jahre alt, auf eine Zeitungsannonce hin als leitendes Ehepaar für die Anfang 1969 noch im Bau befindliche Gaststätte beworben. „Ein mutiger Schritt“, wie die Tochter findet, „denn mein Vater war Hauer im Kalischacht Teutschenthal, meine Mutter Geflügelzüchterin. Beide besaßen keine Erfahrungen in der Gastronomie.“ Doch vielleicht sahen die Verantwortlichen der staatlichen Handelsorganisation (HO) in ihnen gerade deshalb das ideale Pärchen für dieses unkonventionelle Projekt? 

Drei Etagen Gastlichkeit

Die HO ließ die damals rund 80 Jahre alte, baufällige Mühle unter der Regie von Horst Lelzel, einem Architekten des Wohnungsbaukombinats, entkernen und um einen ringförmigen Anbau mit Wirtschafts-, Sozial- und Gastraum sowie einer Freiterrasse erweitern. Die historischen Mauern erhielten einen roten Anstrich, ein neues Kuppeldach und Windflügel-Attrappen. Im Erdgeschoss wurde eine Bierstube, in der Ebene darüber ein Weinlokal und ganz oben eine Rundbar eingerichtet. „Statt Barhockern gab es unterm Dachgebälk Kettenschaukeln“, erinnert sich Diana Mittelbach an die für sie und ihre Freundinnen „zweitschönste Attraktion – nach dem Eselreiten“.

Später Denkmalschutz

Mit wie viel Liebe zum Detail das Restaurant ausgestattet war, konnten Charlene Taha und ihr Mann Rafet nur noch erahnen, nachdem sie im April 2025 das Mühlengrundstück gekauft hatten. Von den ehemals zwölf 34 Zentner schweren Mühlsteinen, die als Tische im Außenbereich dienten, „lagen noch zwei ziemlich zerstörte Exemplare im Gebüsch“, berichtet Charlene Taha. „Wir haben sie entsorgt.“

In der ersten Etage entdeckten die neuen Eigentümer sechs handgemalte Rundkacheln  im Wandputz mit lustigen Motiven aus dem Müllerleben. Dass diese aus der Werkstatt des bekannten Ahrenshooper Künstlerpaares Löber stammen, erfuhren die Betreiber eines Installationsbetriebes von Denkmalschützern, die bei ihnen anklopften. „Als sie uns über die geplante Unterschutzstellung der Mühle informierten, war das zunächst ein Schock“, gesteht Charlene Taha, die mit ihrem Mann jüngst aus Berlin nach Halle-Neustadt, in eine GWG-Wohnung gezogen ist. „Doch im Gespräch stellte sich heraus, dass unsere Pläne mit den Anforderungen des Denkmalschutzes ziemlich gut in Einklang zu bringen sind“, zeigt sie sich erleichtert: „Neben dem Sitz unserer Firma möchten wir in der Mühle auch wieder ein Café einrichten und den historischen Ort somit öffnen.“

Diana Mittelbach, die bis heute nur einen Steinwurf entfernt im einstigen Haus ihrer Großeltern wohnt, beobachtet das neue Leben in der Mühle hoffnungsvoll nach vielen Hochs und Tiefs, die die einstige Lieblingsgaststätte der Neustädter durchlebt hat. „Ende 1974 musste die Mühle erstmals schließen, weil für die heranrückende Großbaustelle Leitungen gekappt wurden“, erinnert sie sich. Als sie 1976 wieder öffnete, führte Gerhard Demuth sie allein weiter. „Meine Mutter arbeitete in einer Verkaufsstelle, wo sie keine Nachtschichten mehr schieben musste, wie zuvor in der Küche“, erinnert sich die Tochter. „Mein Vater aber hat in der Gastronomie seine Bestimmung gefunden“, fügt sie an. Als späterer Leiter des „Lucullus“ (heute Dionysos) und des „Halloren-Ecks“ sowie als Gründer des „Gemütlichen Ecks“ hinterließ er noch viele Spuren der Gastlichkeit im Stadtteil.

Übrigens: Drei Esel aus dem Tierpark Berlin sollten ursprünglich beim Servieren helfen. Doch wegen des großen Gäste-Ansturms war diese Idee nicht umsetzbar. Nur ein Grautier aus Ungarn wurde bei einer Nietlebener Bäuerin einquartiert, um an Wochenenden, geführt von Zoomitarbeiterinnen, Kinder um die Mühle zu tragen. 

 

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