Der Blick nach oben lässt staunen: Die Betonschalen, die das Schrägdach über der 34 Meter weiten Haupthalle formen, scheinen in der Luft zu schweben. In ihrer Mitte gibt es eine Fenstergalerie, aber keine massiven Träger. Erst ein Gang nach draußen lüftet das physikalische Rätsel. „Tourguide“ Jürgen Bisch zeigt uns dort die äußerlich montierten Zugstangen, die die riesigen Betonelemente in der Schwebe halten. Ein statischer Kniff von HP-Schalen-Erfinder Herbert Müller, der bis heute trägt. „Gutachter bestätigten, dass das Dach nach fachgerechter Betonsanierung sowie einer Erneuerung der Abdichtung und des Lichtbands für einen weiteren Lebensdauerzyklus halten wird“, freut sich Bisch, der das Objekt wie kein Zweiter kennt: 1986 zum Leiter für die Sportstätten im Bildungszentrum berufen, war er bis zu seinem kürzlichen Wechsel in den Ruhestand als Teamleiter im Fachbereich Sport für das Baudenkmal mit zuständig.
4.000 Quadratmeter Dach
Bei der geplanten Instandsetzung des Daches sollen ab Herbst 2026 zusätzlich die Wärmedämmung verbessert und Fehler aus den Nachwendejahren korrigiert werden. „Die damals eingesetzten Kunststofffenster in der Galerie hielten Hitze und Kälte auf Dauer nicht Stand“, erklärt Bisch die Spuren von Wasserrinnsalen, die neben unzähligen Ball-Abdrücken die geschwungene Decke zieren. Insgesamt plant die Stadt für die denkmalgerechte Sanierung der fast 4.000 Quadratmeter Dachfläche 4,2 Millionen Euro ein. 3,15 Millionen davon stellt der Bund zur Verfügung; den Scheck übergab Bauministerin Klara Geywitz im März 2024 persönlich.
Die Bedeutung der Halle ist aus baulicher wie sportlicher Sicht kaum zu überschätzen. Seit ihrer Eröffnung am 13. Dezember 1967 wird hier nicht nur leidenschaftlich um Punkte und Tore, sondern auch um Nutzungszeiten gekämpft, wie etwa ein Blick in die Vereinschronik der SG 67 zeigt. Die Turner des ältesten Neustädter Sportvereins mussten jahrelang ihre Geräte hinter einem Handballtor auf- und abbauen, bevor sie 1971 endlich das größte „Nebengelass“ des Sporttempels zugesprochen bekamen. Die 1.000 Quadratmeter große Halle war bis dahin unter anderem auch für Kaninchen- und Geflügelzuchtausstellungen genutzt worden.
„Die Sporthalle Bildungszentrum vereint insgesamt fünf Trainings- und Wettkampfstätten unter ihrem Dach“, betont Jürgen Bisch. Neben der großen Ballsporthalle und besagter Turnhalle gehören dazu noch ein Box-Gym, eine Judo- und Gymnastikhalle, die heute auch von Tischtennisspielern genutzt wird, und ein Kraftraum.
Quicklebendiges Denkmal
„Allein von Montag bis Freitag sind hier bis zu 10.000 Sporttreibende aktiv“, erklärt der langjährige Manager des quicklebendigen Denkmals. Neben Schulen nutzen mehr als 25 Sportgruppen und Vereine die Hallen, „von Handball bis Kraftsport, von Boxen bis Yoga“. An Wochenenden locken die Heimspiele der USV Halle Panther regelmäßig bis zu 450 Handballfans auf die Tribüne. Bei Shows, Konzerten und Boxnächten wurden aber auch schon mehr als 2.000 Besucher gezählt. Bis 2014 die neu errichtete Ballsport-Arena in der Nachbarschaft eingeweiht wurde, war die historische Sporthalle zudem gut vier Jahrzehnte Heimat der Handballerinnen des SV Union.
Für Bauingenieur Herbert Müller bedeutete die Fertigstellung des Experimentalbaus 1967 den Durchbruch in einem bereits anderthalb Jahrzehnte währenden Kampf für seine „Hyperbolischen Paraboloidschalen“. 1954 hatte er die nach dem Vorbild von Gummibaumblättern zweifach gebogenen Stahlbetonfertigteile zum Patent angemeldet.
Zäher Kampf gegen Bedenken
Im Inland kämpfte Herbert Müller gegen Bedenkenträger unter anderem bei der Berliner Bauakademie. Ein 1963 mit dem VEB Baustoffkombinat Merseburg geschlossener Vertrag, der ihm bis 1972 Lizenzgebühren von einer DDR-Mark pro Quadratmeter Dachfläche sicherte, hatte in den ersten vier Jahren lediglich einen Regenunterstand auf Halles Marktplatz hervorgebracht. Der erste geschlossene Hallenbau, dessen Wände obendrein mit neuartigen Beton-Halbschalen aus Müllers Designschmiede errichtet wurden, änderte alles: HP-Schalen, die bald darauf auch die Dächer des ersten Delta-Kindergartens und der Neustädter Schwimmhalle zierten, wurden 1970 als „standardisierte Bauelemente“ zugelassen. Von da an kam, wer in der DDR eine Turn- oder Schwimmhalle, einen Traktorunterstand oder ein Kulturzentrum plante, an den Produkten von „Schalenmüller“, wie der Erfinder bald gerühmt wurde, kaum mehr vorbei.