Städtisches

Stadt am Fluss

Wer "Halle" und "Saale" sagt, denkt meist an Giebichenstein und Moritzburg, Saline oder Riveufer - eher selten an Neustadt. Dabei ist der Fluss für Halles größten Stadtteil mindestens ebenso existenzstiftend und alltagsprägend wie für das alte Halle. Es lohnt sich, die Saale von beiden Ufern aus zu entdecken.

Ein Wasserbollwerk von fast vier Kilometern Länge, errichtet zum Schutz einer ganzen Stadt: das klingt nicht nur spektakulär. „Das ist es auch“, bestätigten die erfahrenen Spezialisten der Brunnenbau Wilschdorf GmbH aus Sachsen, die von 2017 bis 2019 die Halle-Neustädter Brunnengalerie sanierten. In ihrer über 60-jährigen Firmengeschichte, in der sie sogar der Semperoper nach dem Elbehochwasser 2002 wieder trockene Füße verpassten, trägt die Neustädter Baustelle das Prädikat „außergewöhnlich“.

Zwar lassen sich im Umfeld von Tagebauen durchaus Brunnensysteme ähnlichen und sogar größeren Ausmaßes finden. Doch diese sind von vornherein mit einem Verfallsdatum von zumeist wenigen Jahren oder Jahrzehnten versehen. In Halle-Neustadt hingegen würden Tausende Keller und Versorgungsschächte volllaufen und viele Häuser unbewohnbar, wenn die Brunnen versagten.

Unterirdische „Stadtmauer“

Der erste Teil des Entwässerungssystems wurde 1965 in Dienst gestellt. Die in den bis zu zehn Meter tiefen Schächten arbeitenden Pumpen sollten nach Plänen der Erbauer etwa alle drei Jahre ausgetauscht werden. Als das Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 den Stadtteil traf, waren manche von ihnen jedoch bereits seit fast fünf Jahrzehnten (!) in Betrieb und trotz immer aufwändigerer Wartung genau so verschlissen wie die bauliche Substanz der gesamten Anlage.

Seit Abschluss der grundlegenden Sanierung 2019 verfügt Halle-Neustadt nun endlich wieder über einen zeitgemäßen Schutz gegen aufsteigendes Wasser aus dem Untergrund. Diese „unterirdische Stadtmauer“ braucht sich, was Ingenieurskunst und Bedeutung angeht, keineswegs hinter anderen halleschen Bauwerken an der Saale, wie der Giebichensteinbrücke oder der Saline, zu verstecken. Allerdings hat sie gegenüber diesen populären Attraktionen einen Nachteil: sie lässt sich nur schwer auf Postkarten bannen oder in sozialen Netzwerken posten.

Saale prägt Mikroklima

Die Vorbereitungen für den Bau Halle-Neustadts begannen übrigens nicht erst mit den ersten Planungen um 1960. Die Saale nahm sich zuvor viel Zeit, um das Terrain zu modellieren, das sich am Ende unter mehr als einem Dutzend anderer Standorte für die geplante Chemiearbeiterstadt durchsetzen sollte. Neben der Nähe zu den Werken von Buna und Leuna und der Distanz zu deren Rauchfahnen lieferten die Weitläufigkeit des Geländes, die guten mikroklimatischen Bedingungen (viel Wasser, viel Grün) und die damit verbundenen Naherholungsmöglichkeiten entscheidende Argumente.

Als kleinen Bonus hatte der Fluss in der Aue vor der neuen Stadt Zehntausende Tonnen Kies abgelagert, mit denen ab 1964 zum Beispiel Straßen und Fundamente im I. Wohnkomplex und am Bildungszentrum unterfüttert werden konnten. Die beiden dabei entstandenen Kiesgruben unweit der Rabeninsel füllte die Saale schon Ende der 1960er Jahre wieder mit Wasser und schuf so ein weiteres Naturrefugium – nicht nur für Angler.

Freizeit und Wohnen am Wasser Bewegungshungrigen bietet der Fluss vor den Toren der Neustadt heute vielfältige Gelegenheiten für kleine und große Fluchten aus dem Alltag – ob mit dem Paddelboot auf dem Wasser, in Bikini und Badehose am Strand oder in Laufschuhen an seinen Ufern.
Immer mehr Menschen folgen dem Strom mittlerweile auch per Drahtesel auf seinem gut 400 Kilometer langen Weg von der Quelle zur Mündung – und umgekehrt. Viele Tausend Radtouristen rollen dabei pro Jahr durch Halle. Der Saale-Radwanderweg geleitet Gäste und Hallenser dabei zu einigen der schönsten Orte in der Stadt. In den nächsten Jahren wird ein weiterer hinzu kommen: In Böllberg, auf der Neustadt gegenüberliegenden Seite der Saaleauen, errichtet die GWG ein neues Stadtquartier mit 300 Wohnungen, an dem der Radweg direkt vorbeiführen wird.

Kampf mit den Fluten

Doch der Fluss zeigt seinen Anrainern immer wieder auch seine weniger angenehme Seite. Den in den 1930-er Jahren fertiggestellten Gimritzer Damm, der zusammen mit dem Passendorfer Damm die Neustadt vor Fluten schützen soll, brachte der Strom bereits beim Hochwasser 2011 an den Rand eines K.O. Zwei Jahre später konnte der Deich ein letztes Mal mit knapper Not verteidigt werden. Seitdem streiten Hallenser in Foren und Gerichtssälen um den richtigen Weg für einen Neubau. Die Saale zeigt sich bisher als fairer Gegner und wartet ab.

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